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„Rückgrat nicht verbiegen lassen“

Der Aufsichtsratsvorsitzende von Fresenius, Dr. Gerd Krick, stellt sich in einem offenen Gespräch den Fragen zweier junger Kollegen.

Raphael Boos, Auszubildender bei Fresenius, Dr. Gerd Krick, Aufsichtsratsvorsitzender von Fresenius und Nathalie Neubert, duale Studentin bei Fresenius (v.l.n.r.).

Nathalie Neubert, duale Studentin für International Business, und Raphael Boos, Auszubildender zum Mechatroniker, haben den Aufsichtsratsvorsitzenden von Fresenius Dr. Gerd Krick anlässlich seines 80. Geburtstags zu seinem persönlichen Werdegang, zur Entwicklung von Fresenius und zur richtigen Studienwahl befragt – und ganz spontan und direkt interessante Antworten erhalten.

(Veröffentlicht: Januar 2018)

Nathalie Neubert: Guten Tag, Herr Dr. Krick. Wir freuen uns, dass Sie heute das Interview mit uns machen. Sie sind jetzt seit über 40 Jahren bei Fresenius. Als Sie hier angefangen haben, hatte das Unternehmen gerade einmal rund 1.000 Mitarbeiter, hauptsächlich in Deutschland. Heute sind es fast 300.000 in über hundert Ländern weltweit. Was hat sich aus Ihrer Sicht in dieser Zeit am meisten verändert? Was ist vielleicht auch gleich geblieben?

Dr. Gerd Krick: Das ist keine leichte Frage. Gleich geblieben ist die Arbeit. Man muss heute noch genauso arbeiten, wie wir früher gearbeitet haben. Verändert hat sich, dass man, wenn man ein Unternehmen führt, nicht mehr alle Mitarbeiter kennt. Das ist verloren gegangen. Es sind einfach so furchtbar viele, dass man noch nicht einmal alle leitenden kennt. Früher kannte ich alle. Früher bin ich noch durch die Abfüllung gegangen und kannte noch jemanden, der an der Füllmaschine stand. Das ist heute vorbei.

Raphael Boos: Es ist heutzutage sehr üblich, den Arbeitgeber häufig zu wechseln. Früher ist man oft ein Leben lang in einem Betrieb geblieben. Sie sind selbst beeindruckende 40 Jahre und mehr beim selben Betrieb. Hat es in Ihrer Karriere je einen Moment gegeben, an dem Sie gerne woanders hineingeschnuppert hätten?

Dr. Gerd Krick: Eigentlich nein, weil die Aufgabe so interessant war, dass man nicht auf die Idee kam, woanders hinzugehen. Das Unternehmen wächst und ist immer gewachsen, und die Aufgaben waren so interessant, dass man mit einem Wechsel des Arbeitgebers keinen Zugewinn erreichen konnte. Dass man mal in die Zeitung geschaut hat, gab es natürlich. Aber wenn man dann vergleicht, weiß man, dass man in der richtigen Branche ist. Wir haben den großen Vorteil, im Gesundheitswesen zu sein, und da muss man klar sagen: Wer im Gesundheitswesen nicht wirklich wächst, der macht etwas falsch.

Raphael Boos: Sie haben Fresenius extrem geprägt. Da stellt sich mir die Frage: Inwiefern hat denn Fresenius auch Sie geprägt?

Dr. Gerd Krick: Das könnte ich gar nicht beantworten. Ich bin so, wie ich bin. Das Entscheidende, was ich Ihnen, die jetzt in einem Unternehmen neu anfangen, sagen will, ist: Lassen Sie sich Ihr Rückgrat nicht verbiegen. Mein Rückgrat ist nie verbogen worden. Deswegen kann ich nicht sagen, dass ich durch Fresenius verändert worden bin. Ich bin so, wie ich bin.

Raphael Boos: Das ist eine sehr gute Eigenschaft. Ich als angehender Mechatroniker würde gerne noch ein bisschen tiefer in die Ingenieursrichtung gehen und fragen: Braucht ein Ingenieur eher das Fachwissen oder eher die Kreativität?

Dr. Gerd Krick: Eher die Kreativität. Man muss sich immer überlegen: Womit kann ich etwas besser machen? Um es dann wirklich besser zu machen, müssen Sie kreativ sein. Ich glaube, dass die Kreativität eine viel größere Rolle spielt als das reine Fachwissen.

Hinter den Kulissen: Blick auf das Videointerview

Nathalie Neubert: Sie sind ja nun, obwohl Sie promovierter Ingenieur sind, schon lange in der Unternehmensführung tätig. Würden Sie jungen Menschen wie uns, die auch am Management interessiert sind, eher zu einem Ingenieursstudium oder zur klassischen BWL raten?

Dr. Gerd Krick: Wenn ich überheblich bin, sage ich ganz nüchtern: zum Ingenieursstudium. Denn das Wissen können Sie im Leben nicht mehr gewinnen. Während Sie die Kenntnisse, wie man verkauft, wie man rechnet, im Berufsleben jederzeit nachträglich gewinnen können. Das heißt, das Wissen eines BWL-Studiums ist im Laufe des Lebens leichter zu erreichen als ein Ingenieurwissen.

Raphael Boos: Wenn Sie heutzutage die Lust hätten, noch einmal ein neues Produkt zu entwickeln, woran würden Sie am liebsten arbeiten?

Dr. Gerd Krick: Da muss ich mich auf die Dialyse beziehen. Das einzige wirkliche ungelöste Problem in der Dialyse ist der Shunt, das heißt die Verbindung von Vene zu Arterie. Dieser Shunt ist ein synthetisches Produkt. Diese Verbindung ist da, damit Sie hohe Blutflüsse erreichen. Sie können mit niedrigen Blutflüssen keine Dialyse machen. Wenn der Shunt kaputt geht, führt das zu Infektionen. Das ist ein grundsätzliches Problem in der Dialyse. Fresenius Medical Care ist gerade eine Vereinbarung eingegangen mit Humacyte, wo ein Gefäßsystem entwickelt wird, das auf menschlichen Zellen beruht. Das ist eine Durchbruchsinnovation. Wenn ich heute wieder irgendwo neu anfangen müsste: Ich würde sofort bei dieser Firma anfangen.

 

Raphael Boos (22) macht seit diesem Sommer eine Ausbildung zum Mechatroniker bei Fresenius. Nathalie Neubert (20) ist seit vergangenem Jahr als duale Studentin für International Business bei Fresenius.

Nathalie Neubert: Aber Sie sind mittlerweile seit schon 15 Jahren Aufsichtsratsvorsitzender. Wir glauben, dass viele hier bei Fresenius gar nicht so genau wissen, was man in dieser Position eigentlich macht, da es ja auch kein ganz gewöhnlicher Job ist. Deshalb wollten wir Sie bitten, uns einen kurzen Einblick in Ihre Aufgaben zu geben.

Dr. Gerd Krick: Da müssten wir ganz lange diskutieren, aber ich versuche es mal kurz zu machen. Mit dem Wissen, das man in diesen vielen Jahren gewonnen hat, von den Produkten, von den Innovationen, von den Märkten, von: „wie verkaufe ich?“ – dieses Wissen einzubringen, ist die Aufgabe des Aufsichtsrats.

Es ist für einen Aufsichtsrat nahezu unmöglich, alle Vorgaben eines Projektes zu prüfen. Dann müssen Sie diese Arbeit nämlich selber machen. Dann müssen Sie selber mit den Partnern verhandeln. Das kann ein Aufsichtsrat nicht leisten. Das heißt, was Sie tun können, ist, das, was Ihnen vorgelegt wird, mit dem Wissen, das Sie im Beruf erlangt haben, zu bewerten und mit dem Vorstand zu diskutieren. Er muss dann Antwort geben auf die Einwände, die man hat. Das ist eigentlich die wichtigste Aufgabe. In dem Moment, indem man versucht, als Aufsichtsrat die Geschäfte selber zu machen, dann muss man – das sage ich immer wieder – auch Vorstand bleiben.

Videointerview mit dem Aufsichtsratsvorsitzenden von Fresenius, Dr. Gerd Krick

Anlässlich seines 80. Geburtstags hat sich der Aufsichtsratsvorsitzende von Fresenius Dr. Gerd Krick in einem offenen Gespräch den Fragen zweier junger Kollegen gestellt.

Nathalie Neubert: Dann sind wir jetzt am Ende des Interviews angelangt. Nur noch eine letzte Frage, und zwar: Möchten Sie den Fresenius-Mitarbeitern auf diesem Weg noch eine Botschaft überbringen?

Dr. Gerd Krick: Die Botschaft ist ganz einfach: Bleibts weiter erfolgreich – und besser als die Konkurrenz!

Raphael Boos: Vielen Dank, Herr Dr. Krick, für dieses schöne Interview. Wir wünschen Ihnen alles Gute auf Ihrem weiteren Weg.

Nathalie Neubert: Vielen Dank, dass Sie sich die Zeit genommen haben.

Dr. Gerd Krick: Diese Diskussion hat mir Freude gemacht. Danke. Ich hoffe, dass ich das weitere Wachstum noch einige Zeit begleiten kann.