
Ein Sprechzimmer an einem sonnigen Morgen im Januar am Madrider Universitätsklinikum Villalba, das zur Klinikengruppe Quirónsalud gehört. Die Patientin ist sichtlich nervös. Sie hat den Kopf voller Fragen und diffuser Ängste – was typisch ist. Die Leiterin der Orthopädischen Chirurgie und Traumatologie Dr. Natalia Ruiz Micó versucht, sie zu beruhigen. „Heute sprechen wir über Ihre anstehende Hüftoperation ...“ So beginnt die Ärztin ihr Patientengespräch, was ebenfalls typisch ist und hier und in anderen Kliniken täglich tausendfach geführt wird. Eines jedoch ist anders: Dr. Ruiz kann sich komplett auf ihre Patientin konzentrieren. Sie muss nebenher weder die lange Krankenakte studieren noch Notizen machen und steht damit viel weniger unter Stress als früher. Denn diese Aufgaben übernimmt neuerdings „Scribe“, ein intelligentes, KI-basiertes Diktiergerät für medizinische Zwecke, das sie auf ihrem Diensthandy öffnet.

Gestartet wurde Scribe im Sommer des vergangenen Jahres. „Stand heute haben bereits mehr als 4.000 Ärztinnen und Ärzte in insgesamt 50 Kliniken von Quirónsalud in Spanien damit über 500.000 Konsultationen durchgeführt.“ Die Erfahrungen von Ärzten und Patientinnen und Patienten mit der Technologie sind sehr gut.
Zu den ersten Anwendern zählte auch die Abteilung für Orthopädische Chirurgie und Traumatologie am Madrider Universitätsklinikum Villalba, die Dr. Ruiz als Chefärztin leitet. Während sie mit ihrer Patientin redet, nimmt Scribe das Gespräch auf, verschriftlicht es und fasst die wesentlichen Inhalte und die sich daraus ergebenden Aufgaben zusammen. Wenn nötig, kann das Tool sogar zwischen mehreren Sprachen hin und her springen. Die klinische Dokumentation war bislang eine mühsame Arbeit, die man sich in den Klinikteams geteilt hat. Manches übernahm das Sekretariat, manches die Assistenzärztinnen und -ärzte, aber oft genug musste auch das behandelnde Ärzteteam selbst ran. Dank Scribe sparen alle im Team nun sehr viel Zeit – genauer gesagt die Zeit, die bei jeder Konsultation für Dokumentations- und Verwaltungsarbeit anfällt. „Die medizinische Dokumentation ist sehr wichtig für unsere Arbeit, sie ist aber auch sehr aufwändig. Bislang ließ sie sich schwer automatisieren, da dafür spezielles Wissen notwendig ist“, so Dr. Ruiz.

Technologie mit enormem Potential
Wie ist dies mit Scribe nun doch möglich? Wie so oft ist die Antwort KI, genauer: generative künstliche Intelligenz, die spätestens seit ChatGPT einen weltweiten Boom erlebt. Diese Spielart von KI kann menschliche Sprache zuverlässig verarbeiten und Sprachausgaben in Echtzeit und in hoher Qualität erzeugen. Doch Scribe stammt nicht etwa aus dem Silicon Valley. Quirónsalud hat die KI-Lösung mit einem IT-Partner selbst entwickelt und erprobt sie seit Juni 2024.
„Das Potenzial dieser Technologie ist enorm, nicht nur für Quirónsalud. Scribe trägt dazu bei, das Gesundheitswesen zu humanisieren und die Arzt-Patienten-Beziehung viel enger zu gestalten. Es befreit die Ärzteteams von ihren administrativen Aufgaben und ermöglicht ihnen, sich mehr auf ihre Patientinnen und Patienten zu konzentrieren“, so Dr. Jorge Short Apellániz, stellvertretender medizinischer Direktor der Universitätsklinik Fundación Jiménez Díaz in Madrid und einer der Initiatoren dieses Projekts bei Quirónsalud.
Doch das neue Tool spart nicht einfach nur Zeit. Es leitet die Ärztin oder den Arzt auch selbstständig durch das Konsultationsgespräch. „Auf Basis der erfassten Informationen schlägt Scribe auch notwendige diagnostische Tests oder therapeutische Schritte vor“, erklärt Dr. Emilio Calvo, Bereichsleiter der Orthopädischen Chirurgie und Traumatologie an der Universitätsklinik Fundación Jiménez Díaz in Madrid. „Bereits während eines Gesprächs zeigt das Tool also mögliche Handlungsoptionen an“, so Calvo. Die letzte Entscheidung treffe jedoch nach wie vor die Ärztin oder der Arzt, betont er.

Scribe kann intelligente Vorschläge machen
Damit Scribe solche intelligenten Vorschläge machen kann, wurde es nicht nur speziell trainiert, sondern ist auch eingebettet in ein übergreifendes digitales System von Quirónsalud: das Klinikportal Casiopea (mehr dazu im Infokasten). Dort fließen alle Informationen zusammen, inklusive der digitalen Krankenakten – sofern die Patientinnen und Patienten dem zugestimmt haben. Casiopea lieferte auch wichtige Trainingsdaten für Scribe. „Mit diesen hochwertigen und sehr spezifischen Daten ist gewährleistet, dass Scribe keine Informationen erfindet, sondern relevante Ergebnisse liefert“, erklärt Dr. Short Apellániz. Wo derart sensible Daten im Spiel sind, haben darüber hinaus IT-Sicherheit und Datenschutz höchste Priorität.
Und wie reagieren die Patientinnen und Patienten bislang auf die Neuerung? Dr. Carolina Gotera, Oberärztin in der Pneumologie der Universitätsklinik Fundación Jiménez Díaz, erhält sehr viel Zuspruch, wenn sie das Programm erklärt: „Die meisten Patientinnen und Patienten gratulieren uns, weil sie die Möglichkeiten von KI sehen und erkennen, wie innovativ wir sind. Sie finden es gut, dass wir mehr Zeit für sie haben, und ihre Kommentare sind daher sehr positiv.“
Digitaler Vorreiter Europas
Mit Scribe baut Quirónsalud seine Position als digitaler Vorreiter in Europa weiter aus – es zeigt, wie Innovationen im Gesundheitswesen den Menschen direkt zugutekommen. „Das Tool verbessert die Kommunikation zwischen Patientinnen und Patienten und dem medizinischen Personal, minimiert Fehler und Missverständnisse“, resümiert Dr. Short. „Gleichzeitig steigern solche Tools die Effizienz und entlasten unsere Beschäftigten bei ihren Verwaltungsaufgaben. Die gewonnene Zeit können wir alle dann in die Interaktion mit den Patientinnen und Patienten investieren.“ Im Laufe des Jahres 2025 will Quirónsalud das Tool Scribe in allen medizinischen Leistungsbereichen und Abteilungen der verschiedenen Kliniken in Spanien einführen.
"Es ist ein Game Changer"
Für die Entwicklung von Scribe wurde das Quirónsalud Operations Team dieses Jahr mit dem Else Kröner Award ausgezeichnet. Die interne Auszeichnung würdigt Fresenius-Teams für herausragende, innovative und außergewöhnliche Initiativen, welche die Fresenius Prinzipien in die Tat umsetzen und so Else Kröners Vermächtnis fortführen.
Lernen Sie die Menschen und Gedanken hinter der Innovation kennen – sehen Sie jetzt das vollständige Interview.

Casiopea – Herzstück der digitalen Klinik
Das Klinikportal Casiopea - ein sogenanntes digitales Ökosystem – ist eine Plattform, die Quirónsalud seit 2020 spanienweit nutzt. Es optimiert Patientenströme und verbindet nahtlos alle Phasen des Behandlungsprozesses – von der Diagnose über die Therapie bis hin zur ambulanten Versorgung. Über eine Patienten-App sind bereits knapp acht Millionen Anwender in Spanien mit dem System verbunden. Ärztinnen und Ärzte nutzen zudem die Casiopea Mobility App für das Smartphone. Damit sind beispielsweise Telesprechstunden möglich, es lassen sich Laborergebnisse einsehen, Rezepte ausstellen und vieles mehr.
Fresenius prüft derzeit, wie die digitale Plattform Casiopea im Rahmen eines Pilotprojekts unter Berücksichtigung der spezifischen Anforderungen des deutschen Markts für die Helios Kliniken in Deutschland angepasst werden kann. Unter anderem wird an einer zentralen Kommunikationsschnittstelle zwischen Arzt und Patient gearbeitet.
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