Konzentration erfüllt den OP-Saal, auf mehreren Bildschirmen sind hochauflösende Bilder zu sehen – der Kamerablick tief im Netz feinster Lungen-Verästelungen, ein sog. digitaler Zwilling – der personalisierte 3-D-Plan einer Lunge – gibt Orientierung. Dr. Joanna Krist, Oberärztin der Pneumologie in der Berliner Lungenklinik Heckeshorn am Helios Klinikum Emil von Behring, blickt auf ihre Steuerungskonsole. Mit ruhiger Hand lenkt sie einen ultradünnen, biegsamen Katheter tief in die Atemwege ihres 59-jährigen Patienten. Er war zeitlebens starker Raucher, jetzt besteht der Verdacht auf Lungenkrebs. Auf dem zentralen Navigationsmonitor verfolgt Krist den virtuellen Weg des Katheters – hellblau leuchtende Linien zeigen ihr den Kurs bis zum Zielpunkt: einem winzigen Schatten im Lungengewebe. Eine kleine Gewebeprobe, die sie gleich entnehmen wird, soll nun Gewissheit schaffen.
Was nach High-Tech-Zukunft klingt, ist längst Realität: Mit dem roboterassistierten „Ion Endoluminalsystem“ zur Lungenspiegelung setzen Ärztinnen und Ärzte der hochspezialisierten Helios Lungenkrebszentren in Berlin und Wiesbaden heute schon neue Standards in der Frühdiagnostik.
Was Sie über Lungenkrebs wissen sollten
Lungenkrebs ist hierzulande nach wie vor die häufigste krebsbedingte Todesursache und eine der gefährlichsten onkologischen Erkrankungen überhaupt. Rund 45.000 Menschen sterben in Deutschland jedes Jahr an den Folgen – denn häufig wird die Krankheit erst im fortgeschrittenen Stadium diagnostiziert. „Das Problem: In den frühen Stadien verursacht Lungenkrebs kaum Symptome oder gar Beschwerden, daher wird er meist erst spät entdeckt – oft, wenn bereits Metastasen vorliegen und eine Therapie nicht mehr möglich ist“, erklärt Prof. Dr. Tim Hirche, Direktor der Klinik für Pneumologie an den Helios HSK Wiesbaden.
Das Ion-System markiert hier einen Wendepunkt. „Das neue Robotik-System zur Bronchoskopie ist ein Gamechanger“, so Dr. Krist. „Wir kommen damit bis ins tiefste Lungengewebe und können selbst millimeterkleine verdächtige Gewebeverdichtungen – sogenannte Rundherde – erreichen und Proben entnehmen. Das war bis heute endoskopisch nicht möglich.“
Ihr Kollege Prof. Hirche ergänzt: „Wir können unseren Patientinnen und Patienten mit Ion viel früher Gewissheit geben – und damit oft die Chance auf eine Behandlung bieten. Es ist ein wirklicher Paradigmenwechsel in der Lungenheilkunde“. Das Ion-System kombiniert Robotik, Bildgebungsverfahren und interdisziplinärer medizinische Expertise auf bislang unerreichte Weise. Mehr Infos im Kasten.
Die von der Deutschen Krebsgesellschaft zertifizierten Helios Lungenkrebszentren in Berlin und Wiesbaden zählen zu den ersten Kliniken Deutschlands, die das Robotik- Verfahren für die reguläre Patientenversorgung einsetzen. An beiden Helios-Standorten wird die Technologie auch wissenschaftlich begleitet: Für das Verfahren geeignete Patientinnen und Patienten können sich dort auch an Studien beteiligen.
Von der Diagnose zur Therapie
Bestätigt sich nach der Untersuchung der Verdacht auf ein Lungenkarzinom, greift bei Helios umgehend ein interdisziplinäres Netzwerk. Lungenfachärztinnen, Thoraxchirurgen, Onkologinnen und Radiologen beraten im Tumorboard über den individuellen Therapieplan. „Je nach Stadium kann diese Behandlung von einer minimalinvasiven Operation in einem unserer beiden Robotikzentren über eine Strahlentherapie bis hin zu einer Chemo- bzw. Immuntherapie reichen“, so Prof. Dr. Torsten Bauer, Chefarzt der Klinik für Pneumologie, Lungenklinik Heckeshorn am Helios Klinikum Emil von Behring.
„Durch die präzise Diagnostik mit dem Robotersystem können wir deutlich früher mit der Behandlung beginnen“, betont der Spezialist. Mit dem neuen Verfahren rücken Mediziner dem Ziel ein Stück näher, Lungenkrebs frühzeitiger, schonender und präziser zu diagnostizieren – bevor überhaupt Symptome auftreten. Für Patientinnen und Patienten bedeutet das: ein viel geringeres Risiko, weniger Belastung, weniger Unsicherheit – und dafür im besten Fall ein entscheidender Zeitgewinn für eine frühe Behandlung.
Weitere Informationen
Das Ion Endoluminalsystem ist ein roboterassistiertes Bronchoskopie-System, das es Ärzten erlaubt, selbst winzige Veränderungen im Lungengewebe sicher zu erreichen. Vor dem eigentlichen Eingriff – der Bronchoskopie – erstellt die Planungssoftware aus der vorab durchgeführten CT-Bildgebung ein detailliertes 3D-Modell – den digitalen Zwilling. Es wird so der optimale Pfad - ähnlich wie ein GPS oder ein Navigationssystem - zu der verdächtigen Stelle berechnet.
Während der unter Narkose durchgeführten Untersuchung wird der hochflexible, mit Sensoren und Kamera ausgestattete Katheter, über einen Beatmungsschlauch in die Bronchien eingeführt und millimetergenau gesteuert. Währenddessen überprüfen die Behandler seine Position zusätzlich mithilfe modernster Scantechnik – einem sog. Cone- Beam-CT. Dank präziser Echtzeit-Bildgebung lassen sich selbst kleinste Rundherde punktgenau ansteuern, Gewebeproben entnehmen und abklären– für die Patienten schonend und mit geringerem Komplikationsrisiko als bei bisherigen Verfahren.